Weihnachten - oder wie streitet man richtig?
Wie Paare Stress zu Weihnachten vermeiden und mehr Zeit füreinander finden.
„Wissen Sie, wann die Leute online am häufigsten nach Scheidung suchen?“
Diese Frage stellte mir kürzlich meine Marketing-Kollegin.
„Vermutlich über Weihnachten“, antwortete ich. „Oder zwischen den Jahren, wenn es nach dem Festtagsstress ruhiger wird.“
Tatsächlich ist es der Monat Januar, erklärte meine Kollegin mit Blick auf die Google-Zahlen.
Es entspann sich ein interessantes Gespräch, warum Paare zu Weihnachten oft streiten. Wir haben unser Interview aufgeschrieben – mit praktischen Tipps aus meiner Paarberatung und meiner eigenen Beziehung.
Viel Freude beim Lesen und besinnliche Weihnachten mit Ihren Liebsten!
Ricarda Howe: Wenn ich ehrlich bin, dann denke ich bei Weihnachten nicht nur an Besinnlichkeit, sondern auch an Streit in der Familie. Wie ist das bei Ihnen, Frau Wahnfried: Streiten Sie an den Festtagen mehr als sonst?
Silke Wahnfried: Nein, wir streiten nicht zu Weihnachten. Weil wir vorher absprechen, was sich jeder wünscht und was für alle wie passt.
Wir sind eine Patchwork-Familie, die sich untereinander nicht versteht. Deshalb tragen wir „Vorabsorge“.
Vorabsorge – was heißt das?
Wir wissen, wir können im Patchwork nicht feiern – das würde nach hinten losgehen. Es ist einfach ein Fakt, den mein Mann und ich beschlossen haben, zu akzeptieren.
Wir gehen dem Streit bewusst aus dem Weg, indem wir unterschiedliche Termine machen und Familie wohldosiert planen.
Im Vorfeld besprechen wir: Wer feiert wie, mit wem und was passt für alle gut? Wie machen wir es mit der erwachsenen Tochter meines Mannes und wie mit meinem Sohn und meinen Enkeltöchtern?
Ich besuche meinen Sohn zum Beispiel alleine. Mein Mann ist diese paar Stunden dann für sich und ich an anderer Stelle dann auch. Aber das finde ich ganz angenehm, da ich das Alleinsein schätze. Dann kann ich lesen, Yoga machen, Filme schauen, nichts tun, nachdenken …
Sie akzeptieren also, dass Familie nicht perfekt ist?
Ja. Wir schauen uns unsere Familien-Situation so an, wie sie ist.
Wenn Familie harmonisch funktioniert, dann ist das prima. Aber in unserem Fall ist das nicht so.
Weihnachten zu versuchen, etwas zusammenzubringen und schön zu machen, was nicht zusammen passt und nicht schön ist – das klappt nicht.
Manche Dinge sind zu eingefahren und werden nicht einfach so wieder gut. Schon gar nicht an Weihnachten. Dazu bräuchte es womöglich eine Familientherapie. Aber wenn das nicht von allen gewünscht ist, dann kann man nichts hinzaubern, nichts schön machen und nichts erzwingen.
Natürlich gibt es den Wermutstropfen in mir und auch in meinem Mann. Aber es ist nun mal nicht perfekt.
Das ist wie im Leben: Es läuft nicht immer alles rund.
Sich dagegen zu stellen und sich ständig zu fragen, warum es denn so ist, macht es nicht besser. Es verschwendet nur Energie.
Unsere Familienplanung für Weihnachten ist vielleicht etwas komplizierter, aber in der Zusammenkunft ist es dann harmonisch.
Ich glaube, es gibt einige Familien, wo es etwas komplizierter ist.
Übrigens: Auch Freunde können eine wunderbare Wahl-Familie sein, mit der man Weihnachten verbringt – sich zum Kaffee trifft, spazieren geht oder zusammen verreist.
Das klingt, als seien Streit und Stress zu Weihnachten vermeidbar.
Ja und nein.
Natürlich können Sie kleinere Stresssituationen nie ganz verhindern. Wir sind eben Menschen – aus Frust, Wut, Ärger oder Enttäuschung entsteht ab und an ein Streit.
Aber Sie können im Vorfeld emotionale Befindlichkeiten besprechen und in der Weihnachtsplanung berücksichtigen. Dann vermeiden Sie zumindest, dass sich alle verbiegen müssen und es doch (wieder) im großen Familien-Krach eskaliert.
Aber was ist mit Terminen und Pflichten, die ich nicht absagen und vermeiden kann? Familie lässt sich ja nicht einfach ändern.
Natürlich gibt es Pflichten, wie zum Beispiel eine Fürsorgepflicht gegenüber den alten Eltern. Aber in meinen Beratungen hinterfrage ich gern die Dinge, die meine Klient*innen als unveränderbar halten.
Ich sollte, ich müsste – das sind starke Glaubenssätze im Kopf.
Aber ist es wirklich so?
Muss ich wirklich mit allen Weihnachten feiern?
Oder will ich mit ihnen feiern?
Und wenn ich es will, nehme ich dann die Konsequenzen in Kauf? Dann brauche ich nicht zu jammern.
Byron Katie hat mit „The Work“ eine tolle Methode entwickelt, diese festen Überzeugungen zu hinterfragen. (Auf ihrer Website finden Sie Arbeitsblätter zum Herunterladen.)
Zu Weihnachten könnten Sie sich also fragen: Ist das, was ich glaube, wahr?
Kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, dass man Weihnachten genauso feiern muss?
Sie meinen, in Wirklichkeit ist es keine Pflicht, sondern meine eigene Entscheidung?
Richtig. Es ist mein Leben – und damit meine Entscheidung, wenn auch vielleicht keine einfache.
Wenn zum Beispiel meine Mutter Forderungen stellt, dann könnte ich das hinterfragen:
Was passt auch für mich? Welchen Kompromiss muss vielleicht auch sie eingehen? Welchen kann ich eingehen, der sich trotzdem gut anfühlt?
Vielleicht lassen sich neue Ideen für das Weihnachtsfest ausprobieren, die für alle viel besser passen.
Müssen sich zum Beispiel jedes Jahr viele Personen zu einer Person bewegen? Was wäre, wenn eine Person zu den vielen kommt?
Oder vielleicht ist es entspannter, wenn man gemeinsam ein Haus am See mietet, in dem sich die ganze Familie für eine Woche trifft, statt einen Tag hierhin und den nächsten Tag dorthin zu fahren.
Weihnachten auf vollen Autobahnen bedeutet Stress, den sich die Menschen selbst zumuten. Auch der Geschenke-Stress in der Vorweihnachtszeit. Das ist eine Entscheidung.
Apropos Geschenke-Stress: Ich brauche noch ein Geschenk für meinen Mann.
Sie fragen mich jetzt aber nicht nach einem Geschenke-Tipp, oder?
Naja, warum nicht. Vielleicht haben Sie als Paarberaterin ja eine schöne Idee?
Schenken sie sich Zeit zu zweit!
„Wir haben keine Zeit“, höre ich von vielen Paaren, die zu mir in die Praxis kommen.
Das Leben ist sehr voll. In der Großstadt ist es noch hektischer als in einer kleineren Stadt oder auf dem Land. Viele Eindrücke, viele Termine.
Die meisten Menschen sind erschöpft.
Sich auch mal „Leerzeiten“ zuzumuten, machen nur Wenige.
Oft ist die Erwartungshaltung sehr groß, etwas ganz Besonderes als Paar zu unternehmen. Aber es muss ja gar nichts Großes sein! Eine halbe Stunde auf dem Sofa oder dem Bett, mit dem Partner quatschen, sich den Kopf kraulen, kuscheln – einfach mal Tempo rausnehmen.
Viele Paare in unseren Paartagen sagen:
„Wir sind gekommen, weil wir uns im Alltag als Paar verlieren.“
Die Hälfte, manchmal sogar Dreiviertel der Paare in unseren Seminaren, hat sich einen Gutschein für den Paartag geschenkt.
Wir sagen ihnen: „Diesen Tag habt ihr für euch geschaffen.“
Und das ist der erste Schritt:
„Wann nehmen wir uns für wie lange Zeit?“
Sie könnten das zum Beispiel für die nächsten drei Monate mit Termin, Uhrzeit und Dauer festlegen.
Das heißt, mein Partner und ich notieren uns fürs neue Jahr gemeinsame Termine im Kalender.
Das ist die Grundlage – ja.
Mit diesen Terminen meine ich aber nicht die Urlaube – die machen viele Paare ohnehin.
Was ich fast noch wichtiger finde, sind kleine Auszeiten als Paar im täglichen Leben. Wie machen wir das im Alltag?
Können wir vielleicht einen oder zwei Sonntagnachmittage im Monat für uns reservieren?
Es muss nichts Großartiges passieren. Wir müssen nichts Tolles organisieren. Wir schenken uns einfach kleine Berührungen.
Es spricht nichts dagegen, gemeinsam auf dem Bett zu liegen, der Erschöpfung nachzugehen, gemeinsam Mittagsschlaf zu machen, dann einen Kaffee zu trinken und zu reden, sich gegenseitig die Füße zu massieren oder einfach mal nachzufragen, welche Berührung sich der Partner oder die Partnerin gerade wünscht.
Nichts Großes … Das kann nur eine Stunde sein. Machen Sie keinen Ausflug, planen Sie keine Aktivität, sondern schenken Sie sich körperliche Nähe!
Körperliche Nähe macht was auf der partnerschaftlichen Ebene.
Eine Stunde als Paar klingt eigentlich machbar.
Ja, diese kleinen Paarzeiten können Sie sogar für Weihnachten einplanen.
Zum Beispiel können Sie eine gemeinsame Mittagspause miteinander verbringen. Nebeneinander Energie tanken und sich dann in den Arm nehmen.
Das geht natürlich nur, wenn die Kinder und Verwandten nicht nebenher rumhüpfen.
Aber wie gesagt, Familie können Sie an Weihnachten wohldosiert einplanen. Dann kommt der Besuch eben nicht zum Mittag, sondern erst zum Kaffee.
Nehmen Sie sich kleine Auszeiten als Paar und schenken Sie sich Berührungen.
Silke Wahnfried
Und was kann ich machen, wenn es an Weihnachten doch zum großen Streit mit dem Partner kommt?
Für Streit habe ich drei einfache, aber wirksame Tipps:
1) Vereinbaren Sie ein Stopp-Zeichen!
Wenn ein Streit emotional wird und Sie sich nur noch tot-argumentieren, dann hängen Sie in der Streitspirale fest.
Brechen Sie das mit einem Stopp-Zeichen ab.
Es macht natürlich Sinn, dieses Zeichen vorab – im Frieden – miteinander zu vereinbaren.
2) Bauen Sie Emotionen ab!
Emotionen sind chemische Prozesse im Körper. Die müssen körperlich erst mal abgebaut werden:
Gehen Sie spazieren; schnappen Sie auf dem Balkon Luft; machen Sie Sport!
Und dann vereinbaren Sie einen Termin, an dem Sie weiter darüber sprechen.
Das heißt, wenn der Streit, zu emotional wird, dürfen Sie abbrechen und sagen: „Heute bekommen wir das nicht mehr hin. Lass uns morgen um 11 Uhr für 40 Minuten zusammensetzen.“
3) Reden Sie im Zwiegespräch!
Zwiegespräche hat Michael Lukas Moeller ins Leben gerufen.
Das sind Gespräche, die nach klaren Regeln ablaufen: Jeder bekommt Redezeit und der andere hört zu.
Stellen Sie sich eine Stoppuhr: Zuerst redet der Eine für 10 Minuten; danach der Andere. Die Zeit können Sie nach Belieben anpassen.
Wichtig ist, dass Sie über sich selbst reden. Werfen Sie sich also nicht nacheinander 10 Minuten lang Vorwürfe gegen den Kopf. Also keine Sätze mit: „Du machst immer …“ oder „Du hast …“
Sondern: „Ich fühle mich …“ „Ich weiß nicht weiter …“ „Ich habe einen Knoten im Bauch, weil …“
Zuhören, nichts sagen, erst wenn man selbst dran ist – probieren Sie das mal!
Danke für die Tipps! Wäre doch schön, wenn diese helfen, dass weniger Paare im Januar nach Scheidung recherchieren.
Ich wünsche Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest und einen entspannten Start ins neue Jahr!
Und wenn Sie noch ein Weihnachtsgeschenk suchen, dann finden Sie hier sinnliche Gutscheine.
Über mich
Ich berate seit 25 Jahren zu Sexualität und Beziehung.
Als Heilpraktikerin für Psychotherapie habe ich eine fundierte Ausbildung in systemischer Sexualtherapie und klinischer Sexologie.
Was mich auszeichnet ist meine vielfältige Lebenserfahrung – unter anderem als Physiotherapeutin, Mitinhaberin eines Tantra-Massage-Instituts sowie aus meiner 30-jährigen Beziehung.
Lust und Liebe sind so vielfältig wie das Leben.
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